Mal ehrlich: Cold Brew ist selten wirklich gut… meistens sogar ziemlich schlecht. Die vermeintlichen Vorteile von Cold Brew reichen von „weniger Säure“ über „weniger Bitterstoffe“ bis zu wilden Behauptungen über Gesundheitsaspekte ohne jede Belege.
Dass Cold Brew weniger Säure und weniger Bitterkeit enthält, mag stimmen, liegt aber ganz einfach daran, dass insgesamt weniger Kaffee drin ist. Denn ohne Temperatur funktionieren die Extraktionsprozesse nicht. Ihr schmeißt also mit dem Kaffeesatz nicht nur Säure und Bitterstoffe, sondern auch all die schönen Dinge weg, die da drin gewesen wären.
Und Cold Brew, der 12 bis 24 Stunden vor sich hin zieht, tut vor allem eins: Oxidieren. Das erklärt dann auch den stumpfen metallischen Geschmack, den die allermeisten Cold Brews gemein haben, und der dann gern hinter Orangenscheiben o. ä. versteckt wird.
Was also machen, um bei sommerlichen Temperaturen an guten kalten Kaffee zu kommen? Hier unser aktuelles Lineup samt Rezepten für diesen Sommer:

1. Besser als Cold Brew: Iced Filter
Die naheliegendste Alternative zu Cold Brew: Kaffee heiß brühen, dann irgendwie kalt kriegen. Eine beliebte Variante: Euren Pourover stärker, also z. B. mit 100g weniger Wasser und direkt über Eiswürfel (z. B. 100g) zu brühen (sog. „Flash Brew“). Die noch bessere Variante: Den Kaffee so brühen wie sonst auch, ohne Verdünnung herunterkühlen und dann genießen.
Wir brühen 600ml Filterkaffee, teilen sie sofort auf kleine 150ml-Flaschen auf, die wir in ein Eisbad und anschließend in den Kühlschrank stellen. So verhindern wir Oxidation und können mit unserem Iced Filter den gleichen hohen Standard liefern, wie bei unserem regulären Filterkaffee.

2. Aerocano (Steamed Iced Americano / Fake Nitro)
Unsere Entdeckung der Saison: Wir ziehen einen Doubleshot Espresso auf Eis, geben noch einen guten Schluck kaltes Wasser hinzu und schäumen das Ganze mit der Dampflanze für wenige Sekunden auf, bis die Farbe merklich heller, das Gemisch aber nicht wärmer als maximal Raumtemperatur wird. Das Ergebnis über Eis gegossen ist von cremigem Nitro Cold Brew kaum zu unterscheiden, bis eben auf die Tatsache, dass der Kaffee frisch ist.

3. Iced Cappuccino
Kommen wir zu den Varianten mit Milch: Was genau ein Latte, ein Cappuccino und ein Flat White sind, ist ohnehin Auslegungssache, in kalt wird das Ganze nochmal weniger trennscharf. Unsere Interpretation: Cappuccino lebt von Balance und Textur, Flat White gibt dem Kaffee Raum und Latte der Milch.
Den Iced Cappuccino machen wir also ganz ähnlich wie den Aerocano: Milch und Espresso-Shot kurz zusammen schäumen, maximal handwarm, und direkt über Eis gießen.

4. Iced Latte
Der Iced Latte hingegen besteht aus ca. 200 ml ungeschäumter, kalter, frischer Vollmilch auf Eis, in die dann mit Schwung ein einfacher Espresso gekippt wird. Nach kurzer Freude über die schöne Marmorierung rührt man das Ganze am besten kurz um und genießt es.

5. Iced Flat White
Der Unterschied zum Iced Latte besteht lediglich im Verhältnis zwischen Kaffee und Milch. Auf ca. 120 ml kalte Milch auf Eis kommt ein doppelter Ristretto.

6. Espresso Tonic
Längst keine Neuheit mehr: Der Espresso Tonic hat sich seinen Spot auf den Karten von Specialty Coffee Shops in aller Welt zementiert. Hergestellt wird er wie der Iced Latte oder eben ein Gin Tonic nur eben mit Tonic statt Milch bzw. Espresso statt Gin. 😉
Espresso Tonic funktioniert unserer Meinung nach am besten mit intensiven, beerigen Kaffees wie z. B. Naturals aus Burundi, Äthiopien, sowie einigen aus Kolumbien.

7. Espresso Chinotto
Unser heimlicher Favorit: Tauscht das Tonic mit Chinotto, einer italienischen Bitterorangen-Limonade aus. Espresso Chinotto haben wir das erste Mal bei Orsonero in Mailand, einem der besten Coffee Shops Europas, getrunken und Brent direkt gefragt, ob wir ihm die Idee klauen dürfen. Die leicht kräuterige, aromatische Bitterorange harmonisiert nochmal schöner mit hell gerösteten Single Origins, insb. gewaschenen Kaffees, und spätestens jetzt solltet ihr klassischen Cold Brew vergessen haben. 😉

… nicht überzeugt? So macht ihr Cold Brew ohne extra Equipment.
Falls wir euch mit all diesen Alternativen zu Cold Brew nicht überzeugen konnten und ihr trotzdem „richtigen“ Cold Brew machen wollt, haben wir trotzdem eine gute Nachricht für euch: Ihr benötigt dafür kein besonderes Equipment, das dann den Großteil des Jahres nur unbenutzt Platz im Küchenschrank wegnimmt.
Stellt einfach ca. 100g grob gemahlenen Kaffee mit 1l kaltem Wasser in einem völlig beliebigen Gefäß (French Press, Wasserflasche, Eimer) über Nacht in den Kühlschrank und gießt das Ganze am nächsten Morgen langsam und vorsichtig durch euren V60 oder eure Chemex. Achtet dabei darauf, möglichst viel Kaffeesatz im Gefäß zu lassen, damit der Filter nicht verstopft. Bei größeren Mengen müsst ihr zwischendrin evtl. kurz Filter wechseln.
Den oxidierten Geschmack könnt ihr dann mit Zitrus, also einer Orangenscheibe oder natürlich Tonic, gut kaschieren. 😉